Mittwoch, 20. Oktober 2010
Verblödisiert - oder: Wie man Millionen macht
Man kennt das ja, dass für die Werbung Phantasiezeugs erfunden wird, welches einem dann als wissenschaftliche Innovation untergejubelt wird.
Ich glaube jedenfalls nicht, dass man "Act*via-Regularis-Kulturen", die wahlweise links- oder rechtsdrehend durch irgendwelche Joghurts wabernd, außer in Werbespots sonst noch so findet, auch ist mir der Begriff "Lochfraß" seit Dieter Bürgy nie wieder begegnet, aus meiner Kindheit weiß ich aber noch, dass es Waschmittel gab, die "nicht nur sauber, sondern rein" (mittlerweile alle wegen der hohen Tensid-Werte verboten, deshalb gibt's auch keine weißen Westen mehr in dieser Welt...) wuschen.

Will sagen: Natürlich muss Werbung was Neues vorgaukeln, sonst bräuchte ja keiner das neue Produkt auszuprobieren, wir würden alle immer noch glücklich VW-Käfer fahren und das meiste selbst reparieren, dabei einen Haufen Geld sparen und niemals die geliebte Chaise für so etwas wie eine Abwrackprämie hergeben, die ganze arme Wirtschaft ginge volle Kanne rückwärts und den Bach 'runter, an jedem Kiosk gäb's wegen der großen "Verbreitetheit" des Modells Ersatzteile und eine deutsche Autoindustrie wäre global schon lange nicht mehr erwähnenswert. In Analogie gilt das auch für die Zahnpasta-Putzzeugs-Möbel-Pharma-Pipapo-und-jedwede-andere-Industrie.

Einzig und alleine Mode und Kosmetik leben davon, nichts weiter zu sein, als "neu" - denn genau das ist ihr Sinn und Zweck, und was heute neu ist, kann morgen nicht mehr neu sein, und deshalb ist die Verkaufs-Frage in diesem Sektor nicht "Schön?" oder "Gut?" sondern: "Neu?" Das ist prima, denn das erspart uns lästiges Sinnieren über die Ansehnlichkeit manchen Teenager-Steißes, der aus sog. "Boyfriends" sich dem Auge des Betrachters entgegenstreckt, oder über die Zweckmäßigkeit mancher Schulterpolster an Damensakkos in den 80ern, zwischen denen jeder Kopf wie eine Erbse aussehen musste. Es war halt "neu" und Punkt.

Nun würde es ja reichen, wenn man die dreitausendste Wimperntusche auf den Markt wirft, und schlichtweg behauptet: "Ganz neu". Aber nicht genug damit: Ausgerechnet bei SOWAS kommen die jetzt pseudo-wissenschaftlich. Muss dann mit dem Anspruch aber andererseits auch so formuliert sein, dass die potentielle Kundschaft das auch versteht, und genau da liegt das Problem an dem Problem. Also macht man mal Blahblahmitschlau. Klingt dann so: "Kaufen Sie die neue Wimpernpampi, für Wimpern mit einem Hödeldidödel-Inwort-Look. Für (Achtung, jetzt kommts:) millionisierte Wimpern..."

Wie? Sie wissen nicht, was "millionisiert" ist. Macht nix, das gibt's ja auch gar nicht.
Stellen Sie sich mal vor, das gäb's. Würd' ich glatt mein Konto "millionisieren"! Vielleicht wäre das was für Glatzköpfe. Etwas Dingens-Mascara drauf - und schon sähe mein kahler Bekannter Otto aus, wie Tina Turner nach einer Begegnung mit einer Starkstromsteckdose.

Fazit: Mann kann dreihundert Wimpern durch Anstreichen mit egal welcher Farbe nicht millionisierend zu einer Million Wimpern machen, sondern nur zu dreihundert angestrichenen Wimpern. Auch nicht mit Spezialbürsten und neuem Abstreifer. Für wie blöd haltet ihr mich?

Und noch was, an die Tussi aus der Febreeze-Werbung, die die stinkigen Möbel ihres Sohnes mit Chemie einnebelt und dann behauptet, das sei jetzt "wie gewaschen". Nein! Nur "gewaschen" ist wie gewaschen, alles andere ist "ungewaschen", oder um es formschön auszudrücken: Bestenfalls Rokoko.

Ihre Millionen müssen Sie mit anderen machen, Sie haben beide soeben eine potentielle Kundin vergrault.

Glanz, Gloria und Glotze
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