Mittwoch, 10. Januar 2007
Vier weiße Pfoten hat der Tod
Meinem Kater geht es hundeelend.
Er ist 15, im April wird er vielleicht noch 16.
Seit Sylvester geht es rasant bergab. Er frißt sehr schlecht, was an einer chronischen Magenschleimhautentzündung liegt, die wiederum durch das Diätfutter hervorgerrufen wird, das er wegen seiner chronischen Niereninsuffizienz braucht.
Seit Tagen hockt er nun zusammengekauert da, er streckt sich nicht mehr aus, kann sich nicht entspannt hinlegen - nach 15 Jahren kenne ich seine (und er meine) Körpersprache, wie die eigene.
Kauen kann er auch kaum.
Ich war heute also mal wieder beim Tierarzt, es gab drei Spritzen, denn zu allem Überfluss ist sein Zahnfleisch schon wieder total entzündet.
Seit "wir" im Oktober mit dem Diätfutter angefangen haben, ging's ihm kontinuierlich besser.
Seit Weihnachten hat er so sehr abgenommen, daß er es kaum noch schafft, irgendwo hochzuspringen. Er stürzt also dauernd überall ab und ich muß ihn fangen, damit er sich nicht alle Knochen bricht.
Mit den Spritzen soll das nun besser werden.
Am Freitag muß ich nochmal hin: Kontrolle, ob die Entzündung zurückgeht.
Trotz mangelnder Muskeln waren zur Verabreichung der drei Spritzen mal wieder zwei Festhaltepersonen nötig.
Herr H. ist eben ein Kämpfer.
Seit gestern sitzt der Kater im Schrank.
Irgendwie hat er herausgefunden, wie man die Tür aufmacht, hat sich auf ein paar Gardinen gelegt, und die Tür gleich hinter sich wieder zugemacht.
Ich komme also heute zu ihm 'runter - kein Kater, kein schnurrendes Begrüßtwerden, nach mehrmaligem Rufen nur ein leises Maunzen - "hier bin ich, im Schrank"...

Nun will er die ganze Zeit in der Küche sitzen.
Da er, egal wie schlecht es ihm geht, sehr kreativ in Gestaltungsfragen ist, muß ich die ganze Zeit daneben sitzen.
Nur zum Ungatten setzt er sich auf den Schoß, den liebt er heiß und innig und da schnurrt er auch.
Aber der Ungatte ist in der Arbeit.
Die Treppe kann der Kater kaum noch 'runtergehen, so schwach ist er, tragen darf ich ihn auch nicht, da muß er fauchen, denn das tut wohl weh.

Machen wir uns nichts vor: Mein Kater stirbt.
Vielleicht nicht heute, vielleicht nicht morgen, aber bald.

Der Tierarzt sagt, es gibt die Möglichkeit ihm täglich Infusionen zu geben.
Dazu muß er aber eine Dreiviertelstunde dasitzen.

Als ob das nicht schon ein Unding wäre, kann ich mir nicht vorstellen, daß er eine Venenkanüle duldet.

Ich kann ihm wohl nicht helfen, und das bringt mich schier um.

15 Jahre. Die schönsten 15 Jahre meines Lebens - nicht zuletzt durch diesen Kater.
Ich war bei seiner Geburt dabei.
Ich gehöre zu seinem Leben - seit der ersten Minute.
Ich hatte schon viel Katzen, keine wie die andere, aber er ist die größte Persönlichkeit. Mutig, sehr schlau und wirklich witzig - das gibt's, er ist ein Kater mit Charakter und Humor.
Ich heule Rotz und Wasser - ganz egoistisch, nicht, weil er demnächst gehen muß, sondern weil ich nicht mit kann, mit ihm zusammenbleiben. Er fängt mir jetzt schon an zu fehlen, obwohl er noch da ist.

Und obwohl ich das alles weiß, daß es irgendwann zu Ende geht, bitte ich um mehr Zeit.

Noch einmal zusammen auf der Couch liegen, noch ein Frühjahr im Garten, nochmal sehen, wie er die Katze quer über den Rasen scheucht.
Gib mir noch einen Sommer.
Bitte.

Schmeils Tierkunde