Mittwoch, 27. Februar 2008
Übertriebene Solidarität
"Geteiltes Leid ist halbes Leid" - das haben Sie bestimmt schon mal gehört, oder?
Ist aber totaler Quatsch.
Geteiltes Leid ist doppelte Arbeit.

Neulich, zum Geburtstag von Frau F., da hatten wir abends Gäste, und wie schon alles fertig war, und jeder hungrig am Tisch saß und nur noch das Baguette fehlte, da hab' ich einen Moment nicht aufgepasst, und da rutschte das Brotmesser ganz hinten auf dem harten Knorzen (so heißt das Ende vom Brot) ab, und in Petersilies linken Zeigefinger, so seitlich und ein bisschen durch den Fingernagel - ist ja auch egal jetzt, jedenfalls gab's plötzlich gar nichts zu essen, weil so'n Finger, das blutet wie Hund und hört auch sehr unwillig wieder auf, und wir alle zu diesem "Ärztlichen Bereitschaftsdienst" (ich sag' immer "Tierärztlicher Notdienst", das hat sich bei mir so festgefressen) eine Ortschaft weiter, und da war dieser Doc, und der hat den Finger zusammengenäht, und er hat dabei die ganze Zeit so gezittert und ich habe es wirklich bedauert, dass ich keinen Asbach dabei hatte, den ich ihm hätte anbieten können.
Mal abgesehen von dem Schreck, den man bei so 'ner Aktion bekommt, gibt es kaum was langweiligeres als Samstag abends beim Tierärztlichen Notdienst zwei Stunden im Wartezimmer zu hocken, bis man endlich zusammengeflickt wird. Als ob die Schmerzen, die man von so 'nem Schnitt hat, nicht genug sind (denn Schmerzen stellen sich spätestens nach 30 Minuten ein, wenn der Wunschock mal nachlässt), bekommt man vor dem Nähen eine zwei Betäubungsspritzen (eine links, eine rechts in den Finger). Wer jetzt noch nicht wach ist, wacht davon auf, dass ihn dieser Schmerz von dieser Behandlungsliege direkt an die Zimmerdecke katapultiert: Es brennt nicht nur wie tausend Höllenfeuer, sondern durch dieses Narkotikum wird der (sowieso schon kaputte) Finger auf gefühlte sieben Zentimeter Durchmesser aufgepumpt - sehr schön!
Obendrauf gab's noch zwei Tetanusspritzen in den Oberarm (eins links, eins rechts), dass ich bis Donnerstag drauf beide Arme kaum lupfen konnte (was vielleicht daran liegt, dass ich nicht sehr viel Oberarm habe...)
Dann bekommt man einen Verband, der so groß ist, dass jeder denkt, man habe mindestens den Unterarm amputiert bekommen. Und mit diesem Verband macht man erst mal - richtig! GAR NICHTS mehr. Man mutiert quasi von null auf hundert zum einarmigen Bandit.
Nach einer dreiviertel Stunde lässt die Wirkung der Narkosespritze nach, dann fängt die ganze Chose an zu hämmern, und am dollsten, wenn man gerade am Wegdösen ist. Das geht zwei Tage so, dann wird das Hämmern schwächer.
Der Tierärztliche Notdienst entließ mich mit der Order, montags bei meiner Hausärztin vorstellig zu werden. Und die eröffnete mir, dass sie gedenke, die Fäden am nächsten Montag, also eine Woche später, zu ziehen. "Freitag", sagte ich, aber leider ließ sie gar nicht mit sich verhandeln (die ist zwar nur 1,40 groß, kann aber ein echter Giftpilz sein), "nein, Montag, basta", und ich gab zu bedenken, dass bei meiner tollen Heilhaut bis in sieben Tagen die Fäden bestimmt einwachsen würden und da wurde sie noch giftiger und setzte noch einen drauf, indem sie mir für eine Woche Verbandswechsel und das Duschen verbot. Alla gut, Montag.

Leider wurde nichts daraus. Wahrscheinlich durch die zahlreichen Verbandswechsel oder durch die Zittrigkeit von dem Tierärztlichen Notarzt, oder weil ich die Fäden ab dem vierten Tag, wo die anfingen zu jucken wie die Hölle immer ein bisschen gedreht hab (damit die nicht einwachsen) haben sich anscheinend am Samstag die Knoten irgendwie gelöst und dann muss man so 'nen Faden halt 'rausziehen, einen neuen Knoten kriegt man da nicht rein. Schade auch. Und Duschen kann man hervorragend mit getunten Einmalhandschuhen.

Der Ungatte bedauerte mich zwar zuerst in meinem Zustand, ich hatte aber das Gefühl, dass ihm mein Gejammer, dass ich so gar nichts machen kann, und dass die Hand immer so blöd klopft, schon seeehr bald auf den Senkel gingen. Und ich hatte das Gefühl, er denkt, ich stell' mich an.

Weil Männer immer einen draufsetzen müssen ergriff der Ungatte nun gestern die erste sich bietende Gelegenheit zu einer solidarischen Leidensaktion, und zwar im Wald.
Das führe ich nun nicht viel detaillierter aus, ich sag' bloß: Eine laufende Kettensäge, ein Daumen, und: Es kann nur einen geben...

Erst wollte er ja ein Heftpflaster und weiter gar nichts, dann bekam er die charakteristischen Schweißboppel auf der Stirn und wurde kalkweiß und Gottseidank war der Unschwiegervater dabei, der mit mir auf ihn einredete, dass das mal genäht werden müsse. Wir also zu Frau Dr. Giftpilz. Die hat die Wunde erstmal mit zwei dieser magic Narkosespritzen betäubt. Dann folgte eine 20minütige Wundreinigung, großangelegtes Nähen, und jetzt müssen die Fäden erstmal 9-10 Tage drinbleiben.
Wenigstens brauchte er keine Tetanusspritze, darf aber dafür Antibiotika nehmen, wegen dem Dreck in der Wunde.

Der Verband des Ungatten ist noch wesentlich kapitaler als meiner neulich.

Soll ich Ihnen mal was sagen: Geteiltes Leid ist nicht halbes Leid.

Haus und Hof
... guten Rat geben

 
laugh.gif

... link  

 
Lachen Sie nur!
...die Sprechstundehilfe, die da heute beim Kontrollieren den Verband abgemacht hat, war derart rabiat, dass ich mich abwenden musste - wo ich doch weiß wiiieee seeehr der Ungatte leidet, obwohl ich sonst soo gerne bei sowas zugucke. Ich musste mich echt beherrschen, sie nicht mit einem "ich mach das!" zur Seite zu schubsen.

Der Giftpilz war heute völlig ungiftig und kam sozusagen als schmackhafter Täubling daher, hatte dafür aber einen Medizinstudent dabei, der unmöglich schon selbst Auto fahren darf.

Ich selbst bekam noch eine weitere neckische Tetanusspritze, der Medizinstudent wandte sich dabei entsetzt ab, und das, wo ich nicht mal meinen nackten Hintern, sondern bloß den entkleideten Oberarm präsentierte. Der wird bestimmt mal Anästhesist, das werden die alle, die kein Blut sehen können...

Weil ich schon mal dabei war hab' ich mich auch gleich noch gegen Zeckenbisse impfen lassen - man gönnt sich ja sonst nix.

... link  

 
Das mit der Kettensäge klingt, als hätte da jemand den obligatorischen Respekt vor den Teilen verloren. Kann ich nachvollziehen, geht mir ja auch so. Bis man dann mal wieder einen Warnschuss bekommt, wenn man Glück hat. Meist hält man sich dann wieder für ein paar Stunden an alles, was man so beigebracht bekommen hat.

Ärztlicher Notdienst, da kann ich was zu erzählen. Die hätten mich vor Jahren mal fast umgebracht. Ohne Spass jetzt, inkl. Herzstillstand meinerseits, das volle Programm. Scheinbar lernt man im ersten Lehrjahr als Fleischfachverkäufer (mehr Qualifikation kann der Bubi nicht gehabt haben) nicht, dass man Kalzium nur gaaanz langsam intravenös geben darf. Grund meines Besuchs war ein Wespenstich im Knöchel, wo sich irgendwas zwischen zwei Hautschichten infiziert haben musste, so dass der Fuss immer dicker wurde. Und was macht der Depp? Knallt mir eine grosse Spritze Kalziumlösung oder sowas (fragen sie mich nicht nach Details, ist auch schon länger her) auf ex rein. Zwei Minuten hat's gedauert, dann bin ich zusammengeklappt als hätte mir einer das Licht ausgeknipst.
Als es mich dann geraume Zeit später mal Sonntag morgens mit dem Mountainbike gerissen hat, und eine Platzwunde am Kinn offensichtlich genäht werden musste, bin ich dann garnicht erst zu diesen Abdeckern gefahren, sondern gleich zu meinem Tierarzt. Der weltbeste Tierarzt, genaugenommen, mit dem wir schon damals per Du waren. Der hat sich's angesehen, die Wunde desinfiziert, und mir dann eröffnet dass er nachts leider 'ne Not OP hatte und daher sein Besteck noch nicht desinfiziert sei. Also musste ich doch in's Krankenhaus. Die Fäden hat mir dann übrigens ein Zahnarzt in Marokko mit dem Leatherman gezogen. Aber das führt hier zu weit.

... link  

 
*schmunzel* Was denken Sie, hätte der Medizinjüngling getan, hätte er Ihren nackten Hintern zu Gesicht bekommen anstelle des Oberarms (Frau Midori hätte das sicher interessiert betrachtet *g*). Hätte er sich errötet abgewendet? Wirklich niedlich!

... link