Dienstag, 6. Februar 2007
Gunst der Stunde
Früher war ja alles besser einfacher.
Die sogenannten "Verbesserungen" des Alltags erschienen mir bei nachdrücklicher Reflexion sogar derart fragwürdig (aber dafür ein weites Feld), daß sie förmlich nach einer eigenen Rubrik schreien.

Ladies and Gentlemen, we proudly present: Landleben 2.0

Als ersten Beitrag in dieser Rubrik, Sie ahnen es schon, kommt was, was mit Geld zu tun hat.
"Verbesserungen des Alltags" und "Geld" scheinen ja irgendwie eng miteinander verknüpft zu sein. Der dritte Faktor, der augenscheinlich auch immer eine wichtige Rolle spielt, ist "Zeit".

Gestern fuhr ich also mal wieder zwei Ortschaften weiter - da ist ein großer Getränkemarkt. Oh welche Freude: Kiste Cola im Angebot für 7,99 EUR (fragen Sie bitte nicht, was die sonst kostet), ich also den Kofferraum mit Getränken vollgedonnert und wieder zurück auf die Bundesstraße - Richtung Gemüsebeet.
Nun findet montags bis freitags auf der Bundesstraße Richtung Gemüsebeet von 15-19 Uhr immer eine religiöse Prozession statt, die wir hier "Feierabendverkehr" nennen.

Religion bedeutet ja "Einkehr" und "Innehalten" - und genau das tun Hunderte von Gläubigen jeden Werktag auf dieser Wallfahrts Bundesstraße. Und zwar alle 2-3 Meter. Und während der Weg vom Gemüsebeet zum Getränkemarkt ca. 7 Minuten gedauert hatte, reihte ich mich heimwärts mit Schrittgeschwindigkeit in die Prozession zu Ehren vom Hl.SuperBleifrei ein.
Pah, denk' ich, gut, daß es regnet und ich im Trockenen sitze - so wird wenigstens mal das Auto sauber und der Heckwischer war ja auch lange nicht mehr an.

Mein Wallfahrtsweg führt immer kerzengerade diese Bundesstrasse entlang, aber besonders Andächtige haben kurz vor der entscheidenden Kreuzung die Möglichkeit, ihr Gefährt mit gesegnetem Kraftstoff zu befüllen - und dieser Altar des Strassenverkehrs, zu dem man vorher rechts abbiegen kann, ist die Kapelle des Hl.Total. Und wie ich da so im Regen und in Schrittgeschwindigkeit auf den Abzweig zubrettere - in völliger Einkehr, versteht sich - werf' ich doch glatt einen Blick auf die Tafel, wo bei Total die Gesänge der heutigen Abendmesse angeschlagen stehen. Jetzt bin ich ja ziemlich nachtblind. Ich linse also zu der Gesangstafel, und da steht: Diesel 1,019.

Tja, denk' ich, Schade, daß Du so schlecht siehst, denn das heißt bestimmt: Diesel 1,079 - der Song wird da ja ständig 'rauf und 'runter gespielt und 1,019 - das war ja 2005, daß wir das das letzte mal aus vollen Kehlen gegröhlt haben.
Egal, denk' ich, kannst ja hinfahren und aus der Nähe gucken - mußt ja nicht an der Kommunion teilnehmen, kannst ja wieder umwenden, und zurückfahren.
Und ich komme an - und was soll ich sagen?

"Herbei - oh Ihr Gläubigen" - an jeder Zapfsäule stehen schon sechs Autos, und es geht alles andere als besinnlich zu.
Da hab' ich mich gefreut und der Mops (ist mein Auto) hat einen 26-Liter-Schluck Diesel geschluckt - für unter 27 EUR - also, wer da nicht an eine Marienerscheinung glaubt...

Und völlig erleuchtet vom Licht des Hl.Total und der Mops, randvoll mit Diesel, reihten wir uns nach schon 25 Minuten (so eine heilige Handlung geht halt nicht husch-husch...) wieder in die Prozession auf der Wallfahrtsstraße ein.

So.
Und damit der Ungatte und sein Auti auch von innen erleuchtet werden, hab' ich den Ungatten auf der Arbeit angerufen - daß er später, auf dem Heimweg, vielleicht in Erwägung ziehen sollte, an der Mitternachtsmesse bei St.Total vorbeizukommunionieren.
Hat er auch gemacht.
Und kam nach Hause und war gar nicht erleuchtet, sondern hatte Mundwinkel bis zum Knie.
In der Mitternachsmesse sangen die nämlich: Diesel 1,109 und SuperPlus 1,369 (was der Auti säuft).

Kann mir mal jemand erklären, was das für'n technischer Fortschritt ist?
Früher, ja, da mußte der Tankwart mit so 'ner Leiter und so großen Klemmzahlen aus Plastik bewaffnet an dieser Anzeigentafel hochsteigen und den Preis austauschen. Heute kann die Tankstelle nicht mal mehr selber den Preis festlegen - hab' ich mir neulich erklären lassen - sondern von einem Zentralcomputer in Hamburg aus werden da mehrmals täglich die Spritspreise hoch- und 'runtergekurbelt.

Und warum kann eine Tankstelle abends um 18 Uhr 23 den Liter für 1,019 (überhaupt - immer diese lächerliche "9" am Ende!) ohne Verlust zu machen, abgeben, und die gleiche Tanke verkauft den gleichen Kraftstoff sechs Stunden später für 10 Cent (das waren mal 20 Pfennig! Soviel Preisschwankung gab's früher nicht im Jahr!!) teurer?

Es drängt sich das Gefühl auf, daß manche Dinge einfach getan werden, weil man über die technischen Möglichkeiten verfügt - nicht, weil irgendein tiefer Sinn dahintersteckt.
So wie kleine Kinder, die mal gaaanz lange Nummern an Papas Handy ausprobieren und dann zwanzig Minuten mit der Auskunft in Neuseeland telefonieren.

Oder will mir ernsthaft jemand erklären, daß jedesmal, wenn der Spritpreis für ein paar Stunden sinkt, irgendeiner einem Scheich in Dubai einen besonders gelungenen Witz erzählt hat, woraufhin der Tränen lacht und spricht:"Der war nicht schlecht - mach' den Sprit in Germany sechs Stunden billiger...!"

Landleben 2.0
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