Mittwoch, 17. Januar 2007
Lustige Witwe
"Flusie" Salômé blüht auf.
Da geht's ihr, wie vielen Witwen.
Jahrelang hat man sich zurückgehalten, freiwillig die zweite Geige gespielt, die Bedürfnissen nach denen des Gatten gerichtet und dazu gelächelt, wofür man streckenweise noch als "dämlich" bezeichnet wurde.



Gatte tot - vorbei mit der Bescheidenheit!

Okay, ein paar Techniktricks (beispielsweise das Herausfingern einzelner Katzenkekse aus einem handelsüblichen Karton) müssen erst erlernt werden - im zarten Alter von demnächst 13 auch nicht mehr so einfach, aber frau müht sich. Es gibt genug Frauen, die mit über 60 ihre erste Überweisung bei einer Bank tätigen, man befindet sich also in bester Gesellschaft.

Weiß man nicht weiter, kann man ja laut "Hilfeeeeeeeee!!!" schreien - einen Schrei, den man bisher von der Dame nicht kannte.
Will man beispielsweise einen Zweifuß dazu bewegen, den Leckereientresor (gemeinhin als "Kühlschrank" geläufig) zu öffnen, stelle man sich ins Treppenhaus, und brülle lauthals los.
Sofort kommt ein besorgter Dosenöffner, den es dann nur noch vor den Tresor zu lotsen gilt.
Das macht man, indem man im Schweinsgalopp vor ihm her rennt und vor besagtem Tresor eine Vollbremsung hinlegt, genau zwischen die Beine des herannahenden Zweifußes. In der Hoffnung, daß dieser beim Stolpern zu Boden geht, und sich dann nur am Griff der Kühlschranktür wieder aufrichten kann. Dann nochmal den Schrei des Schwerstverwundeten - voilà!

Von den einwandfreien charakterlichen Qualitäten überzeugt man seine Menschen, indem man einfach nichts tut. Man zerstört kein Mobiliar, beläßt den Rauputz an den Wänden, schläft friedlich auf dem Küchenstuhl.
Wen das nicht überzeugt, den überzeugt vielleicht aktives Unterlassen. "Protestpinkeln" findet nicht mehr statt, man bepiescht sich höchstens vor Freude, daß die Zweifüsse heimkommen und das wird verschmerzbar getadelt, kann ihnen also generös verziehen werden.



So schleicht sich eine zweite Geige vom Ohr ins Herz, spielt erst dann und wann ein Solo und gibt schlußendlich den Ton an.

Mal sehen, wohin uns das führt...

Schmeils Tierkunde
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Samstag, 13. Januar 2007
Epitaph

Hindenburg
18.04.1991 - 12.01.2007
untröstlich betrauert von
Ungatte,
Petersilie,
und nicht ganz so untröstlich "Flusie" Salômé ("Frau F.")


Ein großer Kämpfer ist gegangen
ein unnachahmlicher Witzbold hat die Bühne verlassen
einer der ausgebufftesten Verbrecher blufft nicht mehr
einer der kreativsten Erfinder hat aufgehört, Hindernisse zu überwältigen
ein notorischer Charmeur wickelt uns nicht mehr ein.
Wir hoffen, daß wir Dich wiedersehen.
So long.


Schmeils Tierkunde
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Mittwoch, 10. Januar 2007
Vier weiße Pfoten hat der Tod
Meinem Kater geht es hundeelend.
Er ist 15, im April wird er vielleicht noch 16.
Seit Sylvester geht es rasant bergab. Er frißt sehr schlecht, was an einer chronischen Magenschleimhautentzündung liegt, die wiederum durch das Diätfutter hervorgerrufen wird, das er wegen seiner chronischen Niereninsuffizienz braucht.
Seit Tagen hockt er nun zusammengekauert da, er streckt sich nicht mehr aus, kann sich nicht entspannt hinlegen - nach 15 Jahren kenne ich seine (und er meine) Körpersprache, wie die eigene.
Kauen kann er auch kaum.
Ich war heute also mal wieder beim Tierarzt, es gab drei Spritzen, denn zu allem Überfluss ist sein Zahnfleisch schon wieder total entzündet.
Seit "wir" im Oktober mit dem Diätfutter angefangen haben, ging's ihm kontinuierlich besser.
Seit Weihnachten hat er so sehr abgenommen, daß er es kaum noch schafft, irgendwo hochzuspringen. Er stürzt also dauernd überall ab und ich muß ihn fangen, damit er sich nicht alle Knochen bricht.
Mit den Spritzen soll das nun besser werden.
Am Freitag muß ich nochmal hin: Kontrolle, ob die Entzündung zurückgeht.
Trotz mangelnder Muskeln waren zur Verabreichung der drei Spritzen mal wieder zwei Festhaltepersonen nötig.
Herr H. ist eben ein Kämpfer.
Seit gestern sitzt der Kater im Schrank.
Irgendwie hat er herausgefunden, wie man die Tür aufmacht, hat sich auf ein paar Gardinen gelegt, und die Tür gleich hinter sich wieder zugemacht.
Ich komme also heute zu ihm 'runter - kein Kater, kein schnurrendes Begrüßtwerden, nach mehrmaligem Rufen nur ein leises Maunzen - "hier bin ich, im Schrank"...

Nun will er die ganze Zeit in der Küche sitzen.
Da er, egal wie schlecht es ihm geht, sehr kreativ in Gestaltungsfragen ist, muß ich die ganze Zeit daneben sitzen.
Nur zum Ungatten setzt er sich auf den Schoß, den liebt er heiß und innig und da schnurrt er auch.
Aber der Ungatte ist in der Arbeit.
Die Treppe kann der Kater kaum noch 'runtergehen, so schwach ist er, tragen darf ich ihn auch nicht, da muß er fauchen, denn das tut wohl weh.

Machen wir uns nichts vor: Mein Kater stirbt.
Vielleicht nicht heute, vielleicht nicht morgen, aber bald.

Der Tierarzt sagt, es gibt die Möglichkeit ihm täglich Infusionen zu geben.
Dazu muß er aber eine Dreiviertelstunde dasitzen.

Als ob das nicht schon ein Unding wäre, kann ich mir nicht vorstellen, daß er eine Venenkanüle duldet.

Ich kann ihm wohl nicht helfen, und das bringt mich schier um.

15 Jahre. Die schönsten 15 Jahre meines Lebens - nicht zuletzt durch diesen Kater.
Ich war bei seiner Geburt dabei.
Ich gehöre zu seinem Leben - seit der ersten Minute.
Ich hatte schon viel Katzen, keine wie die andere, aber er ist die größte Persönlichkeit. Mutig, sehr schlau und wirklich witzig - das gibt's, er ist ein Kater mit Charakter und Humor.
Ich heule Rotz und Wasser - ganz egoistisch, nicht, weil er demnächst gehen muß, sondern weil ich nicht mit kann, mit ihm zusammenbleiben. Er fängt mir jetzt schon an zu fehlen, obwohl er noch da ist.

Und obwohl ich das alles weiß, daß es irgendwann zu Ende geht, bitte ich um mehr Zeit.

Noch einmal zusammen auf der Couch liegen, noch ein Frühjahr im Garten, nochmal sehen, wie er die Katze quer über den Rasen scheucht.
Gib mir noch einen Sommer.
Bitte.

Schmeils Tierkunde
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Montag, 6. November 2006
Top dog
Gestern auf der Couch:

Also, ich schlaf' ja so schlecht, im Moment.
Das liegt daran, daß der Ungatte eine Grippe hat.
Wie die meisten Männer verbindet ihn eine gewisse Hassliebe mit dieser Krankheit: Sie macht ihm schwer zu schaffen, aber jetzt hat er sie schon so lange, daß er sich nicht einfach so von ihr trennen möchte.
Ich warte jetzt einfach ab, ob sich der Leidensdruck bei ihm erhöht und er sich endlich mal "was Richtiges" verschreiben läßt (also nicht diesen Wick-MediNight-Kinderkram), oder ob er von selber wieder gesund wird. Bis dato ist noch nicht richtig abzusehen, ob für ihn die Aussicht auf eine Grippe, die bis Weihnachten anhält, oder auf einen Arztbesuch das größere Übel darstellt.
Infolge dieser ungattlichen Erkrankung bin ich selbst l a t e n t krank, d.h. die Grippe bricht noch nicht so richtig durch, und ich halte mich mit irgendwelchen Mittelchen derzeit funktionsfähig - aber die pralle Pracht ist das nicht.
Nachts schwillt dann immer die Nase zu und die Augen tränen und deshalb schlaf' ich schlecht.
Infolge dieses Schlafdefizits suche ich in letzter Zeit vermehrt die Wohnzimmercouch auf, wo ich dieses Defizit vor dem warmen Kamin dann wieder mit Mittagsschläfchen wett mache.
So auch gestern.
Ungatte auf die große Couch, ich auf die kleine Couch, Glotze an, Ton ganz leise.

Und wie ich mich gerade so gemütlich installiere um meinen bleischweren Äuglein eine Pause zu gönnen, nimmt der Ungatte, Herrscher über mannigfaltige Fernbedienungen, eine Schaltung vor, und mir flimmert folgendes entgegen:

TOP DOG - Deutschland such den Superhund.

Ich natürlich hellwach.
Letzte Woche hab' ich das nur zwei Minuten lang gesehen und hielt es für eine einmalige Sati(e)resendung - da kam ein völlig seltsamer Frisör mit zwei völlig enthundeten, dafür aber aufgestylten Königspudeln "eine Runde weiter", obwohl nicht zu erkennen war, daß diese Hunde irgendwas taten, außer ihr monströses Fellstyling zu erdulden - zugegeben, dazu gehört eine gute Portion Hundeblödheit und die Charakterstärke, dem Spott in der gesamten Hundewelt preisgegeben zu werden, und dennoch weiterhin mit erhobenem Haupt Gassi zu gehen, das mag auch eine Qualität sein.
Nun lief das gestern wieder, und mir dämmerte: Das scheint ja 'ne ganze (erstgemeinte) Serie zu sein.
Nach Germany's Next Top Model, der vergeblichen Suche nach dem Superstar und anhaltender Popstars-Fahndung hat's nun auch die Vierbeiner erwischt!
Ach Du Schande...

Leider hab' ich ja vom Ton nix mitbekommen, aber die Hunde, die da durch das Studio defilierten, erregten allesamt das Misfallen der Jury und "keiner kam durch".
Überhaupt - die Jury:
Das sind zwei Tanten, die eine kannte ich als Moderatöse von Hundkatzemaus, die andere hat eine Boutique für Hundeklamotten in Irgendwo. Da kannste Deine Dänische Dogge in Burberry einkleiden. Und dann sitzt da noch so'n Typ, der sagt nicht viel. Vermutlich macht er auch hauptberuflich nichts außer 'nem guten Eindruck, das aber recht überzeugend.

Bei den Hunden reicht das aber nicht. Die müssen außer einem guten Eindruck noch was anderes machen, von dem ich nicht genau verstanden habe, was eigentlich.

Also die Hunde kommen mit Herrchen/Frauchen in das Studio und da sitzt an so 'nem Pult, das so aussieht wie früher bei Robert Lembke in "Was bin ich?", nur futuristischer, diese Jury.
Dann werden die Zweifüße was gefragt.
Dann antworten die für ihren Hund, der daraufhin irgendwas machen soll.
Meistens macht er nur hin, der Hund.
Klar, wenn Du 'ne hohe Startnummer hast, dann saßen an genau der Stelle an dem Tag schon 50 andere Hunde und haben da ihren Geruch hinterlassen - das MUSS hund ja hinmachen, sonst wär' er kein Hund, oder?
"Hinmachen" führt aber anscheinend zu sofortiger Disqualifikation.
Da muß ich mal kurz auf den Plüsch, meinen Kater, zu sprechen kommen: Also wenn ich mit DEM in den Garten gehe, und in der Nacht davor hat auch nur EIN Fuß einer Fremdkatze die Gartenmauer betreten, dann muß der Plüsch mindestens in vier verschiedene Büsche im Garten pinkeln - daß das JA nicht wieder vorkommt!!!

Zugegeben: Das ist jetzt mal wieder nicht so typisch für kastrierte Kater, aber das hatten wir ja schon, und in der Erziehung vom Plüsch habe ich auch den eklatanten Fehler gemacht, daß ich mit ihm in (seinen) Jugendjahren immer zusammen Magnum geschaut habe - ICH wegen Higgins und ER wegen Zeus und Appollo. Seither denkt er, er ist auch ein Dobermann; zu Glanzzeiten stand er sogar knurrend vor der Tür, wenn der Paketbote kam.
Dann wurde Magnum abgesetzt, das mit dem Geknurre hat sich verwachsen, dennoch glaubt er bis heute, er sei ein Dobermann, was sich ab und an noch darin äußert, daß er uns ohne Vorwarnung anfällt.
Frühes Fernsehen prägt eben den Charakter, aber damals gab's im Fernsehen noch keine Jugendschutzempfehlung. Pech.

Ich könnte mich, so betrachtet, jetzt mit dem Plüsch auch für den Top Dog bewerben.
Wenn sie dann fragen, was er besonderes kann, könnte ich aufführen, daß er z.B. einen Orgasmus vortäuschen kann.
Ich weiß, das klingt nach nichts besonderem, die meisten Frauen können das, aber im Gegensatz zum Plüsch sind die ja nicht kastriert, und wenn, dann fällt's bei denen nicht so auf.

Ich will aber gar nicht, daß er Top Dog, Top Cat, Hot Dog oder Model Mieze wird (obwohl er von der Optik und der Größe her sicher das Zeug dazu hätte) - ich will bloß, daß er glücklich ist.

Und am glücklichsten ist er, wenn er mich ab und zu anfällt, dem Ungatten eine blutige Schramme versetzt, dem Tierarzt eine bohnert, die Katze (Frau F. aus T.) grundlos jagt, eine Scheibe Serrano-Schinken vom Esstisch stiehlt, sonntags seine vier Croissantzipfel beim Frühstück abstaubt und abends vor dem Kamin die Decke begattet.
Was sollte er denn noch können?
Wem das nicht reicht, der kann doch heiraten, wem das auch nicht reicht, der kann sich ja wieder scheiden lassen, und wem DAS nicht genug ist, der kann ja einen Stall voll Kinder kriegen oder, was derzeit ganz "en vogue" zu sein scheint, welche adoptieren.

Ich frage mich, was einen Hundehalter dazu treibt, bei so einem Quatsch mitzumachen.
Der Hund braucht mittlerweile einen Uni-Abschluß, weil man selber kein Abitur hat?

Die Hunde begrüßen sich außerhalb des Casting-Studios vermutlich mit einem "Puh, geschafft: AUSGESCHIEDEN!" (was in diesem Falle dann durchaus wörtlich gemeint ist), und nur die armen Kreaturen, die ungeschickt genug waren, ihre Blase bis auf den letzten Tropfen zu entleeren, bevor sie vor der Jury defilieren mussten, sind jetzt eine Runde weiter.

Zum Trost gibt's ja 'ne nächste Runde - aber bis dahin müssen sie wohl eine Weile durch das Top-Dog-Camp. Ich wünsche ihnen allen, daß sie sich was einfallen lassen, was sie so schnell wie möglich disqualifiziert - ist ja ein Hundeleben, sowas.

Indes geh' ich mal mit dem Plüsch in den Garten und lass' ihn in Nachbars penibel gepflegte Hecke pinkeln.

Das macht ihn nämlich auch SEHR glücklich...

Schmeils Tierkunde
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Freitag, 3. November 2006
Der Pimpernickel
Mein Kater, Herr H. aus H. am N., der ob seiner regionalen Bekanntheit in diversen Tierkliniken lieber anonym bleiben möchte und deshalb im Folgenden nur mit seinem Spitznamen "Plüsch" genannt werden will, ist krank.
Seit 4 Wochen weiss ich, daß er an einer chronischen Niereninsuffizienz (CNI) leidet.
Seitdem geht's IHM besser und MIR schlechter.
Weil MICH die Diagnose umgehauen hat und ER von den Vorzügen der Behandlung profitiert.
Er muß jetzt fürderhin eine Nierendiät machen.
ER findet's nicht schlimm - es gibt eine ganze Palette proteinarmer Katzenfutter, die die Niere entlasten, und er frißt sich gerade probeweise durch eben jene Produktpalette. Mit mehr oder weniger sichtlichem Genuß. Je nach Hersteller und Geschmacksrichtung des Futters.
Er wird jetzt getrennt von seiner Mitbewohnerin, Frau F. aus T., gefüttert, was ihm großen Spaß macht, da dieser kleine, verfressene, weibliche Unruhegeist sich in der Vergangenheit schon immer mal über seinen Napf hermachte, und da Frau F. jetzt ein eigenes Esszimmer hat, kann er in Ruhe und mit Muße speisen. Und sein Leibgericht, die Enden frischer Croissants vom Bäcker, darf er sonntags weiterhin fressen; unter der Woche auch ein paar Schupfnudeln oder Spaghetti. Ist also alles paletti.

Beim Plüsch ist alles anders:
Las ich neulich noch kopfschüttelnd, daß Katzen nur abgestandes Wasser saufen, erstaunte er mich 10 Minuten später, als er, den Wassernapf verschmähend, in die Spüle sprang, um Wasser direkt aus dem Hahn zu trinken. Aber nicht so kalt, bitte.
Plüsch ist 15, das entspricht in etwa einem Menschenalter von 75 Jahren, und alte Leute wollen ihr Bier ja auch gerne mal lauwarm, das haut nicht so auf den Magen.

Der Plüsch braucht auch einen Doc, der Hausbesuche macht. Er fährt nämlich nicht gern Auto. Also er fährt schon gerne Auto, aber er weigert sich, in dieser Idiotenbox zu sitzen, was sich darin äußert, daß er so lange gegen das Gitter der Transportbox bollert, bis sein ganzes Gesicht blutig ist. Läßt man ihn aber aus dem Käfig, ist ER zwar gut zufrieden, stiefelt aber überall im Auto umher. Das ist nicht sehr verkehrssicher, wenn er gerade meint, sich mal vor's Bremspedal setzen zu müssen und man dieses dann (weil versperrt) nicht mehr betätigen kann. Man braucht also für solch einen Transport immer einen Fahrer und einen Katzenbändiger, der Plüschs Bewegungen in die richtige Richtung dirigiert. Insofern stellt eine Fahrt zum Tierarzt beim Plüsch einen erhöhten personellen Aufwand dar.

Das schilderte ich natürlich auch dem Tierarzt, als ich ihn im Februar zum Impfen nach Hause beorderte. Der Tierarzt impfte Herrn H. und Frau F. und hörte sich meine Geschichte skeptisch an, während sein Blick "arme Irre" sagte. Sein Mund sagte: "Das ist für Katzen aber eher ungewöhnlich."

Sei's drum.
Jetzt, im Oktober, durfte eben jener Doc Herrn H.s Nieren behandeln. Die waren entzündet und der Plüsch um Jahrzehnte gealtert. Überhaupt nicht fidel, kein Appetit, abgemagert.
Wir bekamen Antibiotika, dann stellte sich heraus, daß der Plüsch einen Zahn hat, der von der Wurzel her fault. Da mußten wir dann doch in die Klinik, der Zahn kam raus und der Kiefer wurde genäht. Die Fäden seien zwar selbstauflösend, aber "Katzen kratzen sich schon nach Tagen überall wund, weil sie die Fäden völlig närrisch machen." Wir könnten aber frühestens in 10 Tagen zum Fädenziehen kommen.
"Ach," sag' ich, "dann lassen wir die Fäden einfach drin."
Wieder dieser Blick.
"Das tolerieren Katzen aber nicht, die müssen wir dann schon ziehen. Und übermorgen kommen, zur Kontrolle der Wunde im Maul!",
"Ach, könnten SIE nicht...?? Er läßt sich so schlecht transportieren..."
Und richtig: Wieder der "arme Irre"-Blick.
"Na gut", er kommt am Freitag. "bis dahin bitte jeden Tag diese Antibiotikapampe verabreichen."
Ich: "Und wie?"
Der Doc: "Der Katze mit dem Finger unter das Kinn fahren und das Kinn himmelwärts richten. Dann macht die von selbst das Maul auf, dann die Pampe rein, Kinn weiter hochhalten, dann kommt ein Schluckreflex, ist ganz einfach."
Ich: "Soviel zur Theorie - und in der Praxis?!"
Der Doc:"Neinneinnein - das ist gannnnz einfach!"
Und zum Abschluß wieder der "arme Irre"-Blick...

Am Freitag, kurz nach 8 Uhr früh, ich fahr' gerade aus dem Haus, kommt er mir mit dem Auto entgegen gefahren. Der Ungatte (das ist der männliche Zweifuß vom Plüsch) hatte Spätschicht, weilte also des morgens zu Hause, war instruiert. Und ich denk' noch: Zu ZWEIT ist das ja auch alles kein Problem, vor allem wenn einer von beiden Tierarzt ist...

Als ich um 12 Uhr wieder kam, erwartete mich der Ungatte. Eine halbe Stunde haben sie 'rumgemacht dem Plüsch zu zweit die Pampe zu verabreichen. Der sprang nämlich, seines behandelnden Arztes angesichtig, gleich mal auf den höchsten Schrank. Was der Doc nicht wußte, ist, daß man sich ihm dann besser nicht nähert, sonst bekommt man eine gebohnert. Naja, JETZT weiß er's...
In seiner Eile entschied er sich, ihm eine Antibiotika-Spritze für diesen Tag zu geben, die hatte er aber nicht dabei. Also er und der Ungatte immer hinter dem Plüsch her. Als ich um kurz nach 12 in das Zimmer kam, war auf jedem Möbelstück weiße Antibiotikapampe. Der Ungatte berichtete, daß der Doc schon weniger mitleidig geguckt habe, stattdessen geäußert hätte "der Plüsch sei dann doch ein etwas schwierigerer Fall...". Am Ende hat er ihm die Pampe auf alle vier Pfoten verteilt, mit der Bemerkung:"Das schleckt er dann ab." Hat er auch, aber erst am Montag...
Nun hat er die Fäden seit 3 Wochen und noch nicht einmal gekratzt.

Und er hüpft und springt und nimmt wieder zu und pinkelt dem Nachbarn in die penibel gepflegte Thujahecke und hat lauter Unsinn im Sinn >freufreufreu<

Mittleweile zeigt er aber auch sonstige Verjüngungserscheinungen.
Da er ja jetzt "krank" ist, hat er natürlich Narrenfreiheit. Also liegt er jeden Abend auf der großen Couch, sieht ein bisschen fern oder guckt ins Kaminfeuer. Auf der Couch liegt eine karrierte Kuscheldecke - so eine, für die mal 100 Polyester gestorben sind. Seit dem zweiten Abend nach seiner Zahn-OP wird diese Decke nun allbendlich begattet.

Das ist vielleicht nicht ungewöhnlich, aber der Plüsch wurde vor 14 Jahren kastriert. Da 14 Jahre eine lange Zeit sind, hat das der Plüsch das aber mittlerweile vergessen. Und so begatte er eben jeden abend 45 Minuten lang die Decke.
Ich dachte, daß die vielleicht komisch riecht und hab' sie in die Waschmaschine gesteckt.
Seiher begattet er sie jeden abend ZWEI mal.

Der Katze ist das sehr suspekt, sie meidet, angesicht solch exhibitionistischen Verhaltens ihres Mitbewohners, seither konsequent das Wohnzimmer.

Vor drei Tagen war sie nun selbst in dieser Klinik, aber nur zum Zahnstein-Entfernen.
Als ich sie abholte, war "der Doc" selbst nicht da. Dafür aber eine mir bisher unbekannte, nette Tierärztin. Da hab' ich gedacht, ich frag' einfach mal.

Ich:" Entschuldigung, diese CNI von meinem Kater, hat die irgendwie einen gesteigerten Sexualtrieb als Begleiterscheinung?"
Sie:"Wie???"
Ich ihr den Sachverhalt geschildert.
Sie: "Naja, ist halt ein Mann - - - Moment...der ROTE Kater von neulich??? Aber der ist doch kastriert! Nein, da haben Sie sich verguckt, KASTRIERTE KATER TUN SOWAS NICHT!"
Und wieder der "arme-Irre"-Blick.
Ich wollte dann noch wissen, ob der gute Plüsch bei diesem Rumgesexe vielleicht einen Herzinfarkt erleiden könne, sie sah mich noch mitleidiger an, und sagte "neinneinnein."

Aber gestern habe ich ihn sicherheitshalber dann doch nach einer Stunde in seinem Treiben unterbrochen, sein Herz hat wie wild gehämmert und er fiel auch gleich danach in einen geradezu komatösen Schlaf.

Was lernen wir daraus?
1.) Manche alten Leute mögen lieber frische, dafür aber lauwarme Getränke.
2.) Katzen mögen keine Croissants, Schupfnudeln und Spaghetti - die rote Pelzperson, die sich auf meinem Ceranfeld in der Küche über den Nudeltopf hermacht, ist eine Illusion,
die Brötchentüte mit den Croissants hat der Wind unter den Tisch geweht und die Bäckereifachverkäuferin hat sie an der Unterseite mit ihren lackierten Nägeln aufgerissen.
3.) Katzen in Transportboxen verhalten sich ängstlich und still.
4.) Antibiotikapampe an meinen Möbeln ist eine Fata Morgana, weil man das Zeug Katzen ganz leicht verabreichen kann.
5.) Selbstauflösende Fäden im Maul einer Katze müssen spätestens nach 10 Tagen gezogen werde, weil Katzen diese nicht tolerieren.
6.) Kastrierte Kater begatten keine Kuscheldecken.


Und daraus ziehe ich folgenden Schluß:
Ebenso wie 75jährige Männer kommen 75jährige Kater ungeachtet ihrer real (nicht-)existierenden Potenz nochmal sexuell richtig in Schwung und benehmen sich, der Torheit des Alters sei dank, wie liebestolle Teenager. Weil es ihnen piepegal ist, was die Welt davon hält.
Ich gewöhne mich langsam an den "arme-Irre"-Blick approbierter und selbsternannter Katzenexperten, genieße das Leben meines Plüschs und bremse ihn lediglich, bevor er einen Herzkasper bekommt. Soll er doch.

Der Plüsch aber, bisher vom Ungatten liebevoll "Raddegiggl" (das ist ein regionaler Ausdruck, der soviel wie "Spitzbube", "Schelm" oder "abgerissene Person" bedeutet) genannt, heißt jetzt nur noch "Pimpernickel".

Wahrscheinlich hat der Ungatte auch was an den Augen - auch WIR werden schließlich nicht jünger...

Schmeils Tierkunde
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