Mittwoch, 2. Mai 2007
Warnstreik
Ich kenne einen Arbeiter, der ist seit vielen Jahrzehnten Gewerkschaftsmitglied und zahlt brav seine Beiträge.
Heute freut er sich, denn in seinem Betrieb wird warngestreikt, aber Gottseidank nicht auf seiner Schicht.

Beim letzten Warnstreik ging das so: Die Leute gehen zum Streiken an die Stechuhr, stechen brav ab, streiken dann eine halbe Stunde, stechen wieder und machen sich wieder an die Arbeit.

Denn Streikzeit wird nicht vom Betrieb bezahlt.

In kindlich-naiver Vorstellung von der Arbeitswelt ging ich früher immer davon aus, daß ein Streik so geht: Es ist soundsoviel Uhr, die Leute lassen den Gabelschlüssel fallen und hören bis soundsoviel Uhr auf, zu arbeiten. Der Betrieb steht still. Dann nehmen sie ihre Arbeit wieder auf, und die Produktion läuft wieder.
Der Betrieb ist natürlich sauer und zieht allen Streikende eine Stunde Lohn vom Gehalt ab.
Dafür hat man dann Jahrzehnte lang Beiträge gezahlt, daß die Gewerkschaft den Verdienstausfall aus der Streikkasse bezahlt.

Die Realität ist aber so: Schon Wochen vor dem Warnstreik hüpfen irgendwelche Gewerkschaftsfuzzis durch die Abteilungen und knöpfen sich jeden einzelnen Abeiter vor. Dabei machen sie gewaltigen Psychodruck, daß man als Gewerkschaftsmitglied die Pflicht hat, mitzustreiken.

Dann kommt ein Streik und ein paar Streikende entscheiden sich, während des Streiks Kaffee zu trinken. Man muß ja vorher stechen und bekommt die Zeit nicht bezahlt, auch nicht von der Gewerkschaft.

Sofort steht wieder so ein Kontrollfuzzi bei den Kaffeetrinkern und scheucht die 'rum, "Los, 'rausgehen, Gewerkschafts-Mülltüte überziehen, Fähnchen schwenken, Schwachsinn anhören". Groß ist das Gezeter, wenn der Streikende nach eigenem gusto streikt.

Glücklicherweise sieht man diese Interessenvertreter sonst das ganze Jahr über nicht.
Während dieser Zeit handeln sie mit den "Bossen" nämlich tolle Dinge aus: Verlängerung der Arbeitszeit von 8 auf 10,5 Stunden täglich (und das mal "kurzfristig" für fast ein Jahr) - natürlich ohne Mehrbezahlung.
Denn die Firma hat ja so viele Leute entlassen und plötzlich ist so viel Arbeit da - da müssen die Arbeiter, die jetzt noch für die Firma arbeiten dürfen, der Firma auch mal helfen, damit sie auch in Zukunft für die Firma arbeiten dürfen.
Und weil es nur noch wenig Arbeiter aber viel Arbeit gibt, haben sich die Gewerkschaften zusammen mit den "Bossen" noch was ausgedacht: Wer im Zeitraum vom Soundsovielten bis zum Soundsovielten sechs Samstage in Folge arbeitet, bekommt einen Bonus.

Nun hatte das mir bekannte Gewerkschaftsmitglied bereits drei Samstage in Folge gearbeitet und war aber am vierten Samstag krank. Der Abteilungsleiter kam am fünften Freitag, und fragte, ob der Arbeiter morgen wieder arbeiten könne. "Nein," sagte der Arbeiter, "ich war doch letzte Woche krank, da bekomm' ich die sechs Samstage in Folge nicht mehr zusammen. Ich bekomme also definitiv keinen Bonus mehr, dann kann ich samstags auch daheim bleiben." Dem Abteilungsleiter war es aber sehr dringend, daß dieser Mensch morgen käme und er sagte, bei Krankheit sei das was anderes. Der Arbeiter war aber skeptisch, und deshalb ging er zum Betriebsrat, um sich zu vergewissern, daß er seinen Bonus auch bekäme, wenn er jetzt noch dreimal antritt. Der "klärte das ab", kam wieder, gab grünes Licht.
Der Arbeiter arbeitete.

Aber den Bonus bekam er nicht.
Der Betriebsrat, zur Rede gestellt, zuckte erstmal die Schultern, bedauerte anschließend, daß er da wohl was falsch verstanden und den Arbeiter falsch informiert habe.
Tja, die Kohle sei futsch.
"Sorry, Kollege, dafür zahlt die Gewerkschaft nicht - mein Fehler, aber machen kann ich da gar nix."

Und diese superduper "Kollegen"schweine wundern sich, daß die Leute lieber Kaffee trinken, als ihre Fahnen zu schwenken?

Ich hätte in dem Verein schon längst gekündigt, das ist ja heftiger als der Vatikan!

Früher waren die Gewerkschaften mal da, um die Interessen der Arbeiter zu vertreten.
Heute bereichern sie sich an ihren Mitgliedern, kommandieren sie herum und zeigen ihnen den nackten Arsch zucken mit den Schultern.

"Sorry, Kollege...aber da kann ich gar nichts machen..."

Nee, da ist wohl auch nichts mehr zu machen.

...und wenn Sie jetzt wissen wollen, was mit den Beiträgen passiert: Davon werden Häuser gekauft. In Portugal, Griechenland, Südfrankreich oder sonstwo. Dahin fahren die Gewerkschaftsfuzzis regelmäßig. Mit Weib und Kind. Ich nehme an, zu "Schulungen". Da lernt man, wie man die Arbeitnehmer vor dem nächsten Warnstreik ein wenig effektiver einschüchtert. Und wenn es mal ein Ende hat, mit der Karriere in der Gewürgschaft, dann hat man beste Voraussetzungen, um bei Scientology anzufangen...

Landleben 2.0
... guten Rat geben

 
Zotiges zum großen Gewerkschaftstag....Sehr schön.

Zum einen ist es reichlich absurd, wenn einer wie Frank Bsirske (Monatsgehalt: 13.000-14.000 €) über Tarife verhandelt, die bei etwas über 5000 € enden.
Zum anderen ist sowas natürlich ebenso bezeichnend

Allerdings kann ich mich auch noch an den großen Streik im öffentlichen Dienst erinnern. Letztes Jahr. Als Stuttgart mal schnell ein Vierteljahr lang mit seeeeehr reduzierter Müllentsorgung auskommen musste.
Da gabs ein paar streikende Menschen, die haben halt mal schnell unterschrieben und sind anschließend gen Königsstraße gezogen, um shoppen zu gehen. Streik21.

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Nur zur Erinnerung: der Betriebsrat wird nicht von der Gewerkschaft bestimmt, sondern aus dem Betrieb heraus gewählt. (Deren Mitglieder müssen IMHO auch nicht in der Gewerkschaft sein.) Wenn dort also Pfeifen sitzen, sollte sich die Belegschaft Gedanken über ihr Wahlverhalten machen.

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...richtig, Herr kid, müssen nicht in der Gewerkschaft sein...eine gewisse Nähe allerdings ist unvermeidlich (allein dann, wenn so ein Betriebsrat sich so richtig ordentlich mit dem Arbeitgeber in der Wolle hat. Dann gibts Rechtsberatung etc. seitens der Gewerkschaft)

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Nur zur Erinnerung: der Betriebsrat wird nicht von der Gewerkschaft bestimmt, sondern aus dem Betrieb heraus gewählt.

Das ist natürlich faktisch vollkommen korrekt, Herr Kid.

Aber "im echten Leben" steht halt oft "Not gegen Elend" oder "die Pest gegen die Cholera" zur Auswahl...
Und in großen Betrieben kennt man ja auch nicht jede Kartoffel jeden Kandidaten persönlich, der sich da zur Wahl stellt.
Jedenfalls hat jene Belegschaft diesen Agenten wohl noch ein Weilchen an der Backe.
(Zuvor war wohl auch eine Person mit Migrationshintergrund im Amt, die, hat man mir erklärt, hätte man nicht wieder wählen können, weil sie keiner versteht, wenn sie versucht, Deutsch zu sprechen... Alleine das fand ich ziemlich ernüchternd, aber das ist wohl die Realität.)

Ich bekam kolportiert, daß es sich bei allen um "unerträgliche Schwätzer", die im Anzug 'rumrennen, handele.
Ich lass' das mal dahingestellt - aber frei nach dem Thomas-Theorem ist vielleicht ein Schwätzer, wer sich für den Großteil der Arbeitnehmer wie ein Schwätzer anhört?!
Ich bekomme jedenfalls immer wieder erzählt, daß die Funktionäre "Zeug babbeln, das keiner versteht..."

Vielleicht ist dieses Zeug ja gar nicht so dumm (ich gehöre selber nicht zu diesem Betrieb ich habe leider keine Möglichkeit mir das mal zu Gemüte zu führen), aber offensichtlich komplett an ihrer "Basis" vorbei...

Und ich wurde bereits zweimal gebeten ein Flugblatt der Gewerkschaft "in normales Deutsch" zu übersetzen.
Fällt Ihnen was auf?

@Gorillaschnitzel
Ja, im öffentlichen Dienst kann man sehr wirksam streiken und ich bin auch monatelang durch den Müll gewatet - allerdings mit dem größten Verständnis.
Warum die Stadt allerdings bis heute keine Gebühren für den nicht abgeholten Müll zurückerstattet hat, verstehe ich immer noch nicht.
Ich nehme aber an, daß sich eine juristische Klage nicht rentieren wird, sondern daß das "gutes Geld schlechtem hinterhergeschmissen" wäre - und spare darüber hinaus meine Nerven, denn in den letzten siebzehneinhalb Jahren habe ich bei jeglichem Gezicke mit der Stadt den Kürzeren gezogen.

Anders sieht's aber in der Industrie aus - denn Dr.phil. Otto Normalakademiker nimmt wohl kaum Notiz, ob gerade ein paar Opel, Audi oder Benz weniger vom Band laufen, und außerdem ist der Witz bei einem Warnstreik ein echter Kalauer, weil alle im Endeffekt sagen: "Pah, die Arbeit von heute muss ja doch erledigt werden - da sind wir alle heute Abend eine Stunde länger geblieben, wir mussten ja wegschaffen, was während des Streiks liegengeblieben ist."

Das würde mich dann auch mächtig kratzen, als "Boss"...

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Herr Kid, da ja aber der Betriebsrat meist Leute aus dem Betrieb anheuert, mit denen er sowieso schon irgendwie verklüngelt ist, nützt das alles meist recht wenig. Und gründet sich eine neue Gewerkschaft (auch wenn diese ggf. unabhängig ist), so ist sie meist zu klein und neu, als dass sie wirklich Stimmen ziehen könnte. So bleibt alles beim bisherigen Süppchen. Das ist nichts anderes als in der Politik. Nur auf gewisse Art noch ein wenig trauriger.

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Tja. Dann also ohne Gewerkschaft? Oder ohne Betriebsrat? Man muß auch daran "erinnern", daß Gewerkschaften ähnlich wie andere Interessenvertretungen ja keine Dienstleister sind, die nach dem Motto "hier haste 100 Mark, jetzt tu mal was für mich" handeln. Wenn es einem stinkt, müßte man schon selbst aktiv werden und den Laden von innen her reformieren und mitgestalten. Und jetzt will ich mal Hände sehen, wer sich dafür meldet...

(Disclaimer/Disclosure: Ja, ich bin Gewerkschaftsmitglied, war vor Jahren auch mal angestellt bei einer Gewerkschaft, bin schon schlecht durch einen Betriebsrat vertreten worden, aber ebenso auch gut - und hätte weder Lust noch Zeit, dort mitzumachen.)

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Neee, ohne geht nicht, hab ich ja auch unten angedeutet. Es ist deifnitiv wichtig. Aber wie es immer so ist mit den Menschen, wenn man ihnen eine Winzigkeit Macht gibt... oft artet aus. Und dann noch Zwistigkeiten innerhalb und es dreht sich nur noch darum, nicht aber mehr um die Sache an sich. Leider.

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Nur zwei bescheidene Anmerkungen
"Früher waren die Gewerkschaften mal da, um die Interessen der Arbeiter zu vertreten."
Das stimmt so nicht ganz, wenn mit "früher" nicht die Vorkriegszeit gemeint ist. Denn die Vertretung der Interessen der Arbeiter muss laut Verfassung ausdrücklich in Abstimmung mit den so genannten Arbeitgebern erfolgen, sie nennen es Partnerschaft. Diese "Partnerschaft", auch bekannt als Sozialpartnerschaft wird seit einigen Jahren seitens der Arbeitgeber nicht nur nicht mehr für wichtig erachtet, sondern als lästiges Übel bewertet, das man sich eigentlich nicht bieten lassen muss als Geschäftsgrundlage angesichts der berühmten Millionen, die auf der Straße stehen und auch den nicht so gut bezahlten Job mit den auch mal nicht so richtig guten Bedingungen annehmen.
Im vergangenen Jahr haben dann auch die Länder, allen voran der Freistaat Bayern demonstrativ signalisiert, dass sie von Partnerschaft nun auch nichts mehr wissen wollen. Nicht nur bei verdi haben viele Funktionäre sozusagen den Schuss nicht gehört oder hören wollen und tun sich nun schwer, um es mal euphemistisch zu formulieren.
Zweitens: Ein Warnstreik ist ein Warnstreik. Der kann gar nicht anders organisiert werden, als in dieser dumpfen ritualisierten Form, die wirklich aussieht, als wären alle Beteiligten nicht mehr ganz dicht. Aber ohne vorherigen Warnstreik darf eben nicht gestreikt werden, jedenfalls nicht mit gewerkschaflticher Beteiligung, das ist strafbar sozusagen. Wenn dann richtig gestreikt wird, kann es auch nie um "die Interessen der Arbeiter" gehen, sondern lediglich darum, die durch den Streik den Arbeitgebern entstehenden Kosten möglichst in die Höhe zu treiben, um die Herren vom Arbeitgeberverband eben daran zu erinnern, dass die "Patnerschaft" womöglich doch billiger zu haben ist, als – Ja Was? Und genau vor dieser Frage stehen die Damen und Herren, die entweder als Amtsträger, Funktionäre, Minister, Wirtschaftsredakteur oder eben auch Müllwerker, Zeitungsleser oder Opernintendant sozusagen von Berufs wegen darüber zu entscheiden haben, wie denn nun das Verhältnis zwischen den abhängig Beschäftigten und dem wovon sie abhängig sind organisiert wird. Früher wurden solche Auseinandersetzungen noch unter dem abstrakten Fachterminus Klassenkampf subsummiert. Ich bin gespannt, wann dieser bekanntlich längst aus der Mode gekommene Begriff wieder öfter zu lesen und zu hören sein wird – und von wem. Ich fürchte freilich, dass es ausgemachte Trottel wie einschlägig bekannte Chefredakteure für mover und shaker sein werden oder irgendein rechtsliberaler Ideologe in den teuren Wirtschaftszeitungen für den neuen Mittelstand (brand1etc.), die sich die Freiheit nehmen werden, das gute alte Wort für ihre propagandistischen Zwecke zu – wie sagt man neuerdings, zu claimen, genau.

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Hörns mir auf mit Gewerkschaften. Richtig bunt wird das, wenn sich zwei verschiedene Gewerkschaften in einer Firma befinden, sich immer streiten, sich dann eine Dritte gründet (was man aber auch noch weiter auf die Spitze treiben kann, indem sich schlichtweg die Männer und Frauen, in einer Gewerkschaft, auch noch untereinander streiten, weil die einen Total-Emanzen und die anderen Total-Machos sind) und es in keiner Sitzung zu einer Einigung kommt, weil erst einmal die persönlichen Differenzen geklärt werden müssen. Abzüglich Kaffee, Mittag, Kaffee und diversen Zigaretten Pausen macht das dann einen Tag und man vertagt sich. Übrigens ist es ganz besonders schön zwischen diese Fronten zu geraten.

Es gab eine Zeit, da konnt ich aus 100 Personen zielsicher die drei bis fünf Gewerkschafter rauspicken und auch noch die Zugehörigkeit nennen. Ein ganz besonderes, sicherlich auch sehr wichtiges (was wären wir ohne, ich weiß), aber nur zu oft sehr... ich nehm mal eines der netteren Wörter... streitsüchtiges Völkchen.

Übrigens Mobbing ist auch ein feines Thema, um sich an "seine" Gewerkschaft zu wenden. Hust.

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Übrigens Mobbing ist auch ein feines Thema, um sich an "seine" Gewerkschaft zu wenden. Hust.

Wirklich an die Gewerkschaft oder an den Betriebsrat? Während letzterer vielleicht wirklich eher mal abwiegelt, sind die eigentlichen Verbände da schon recht aktiv und bieten auch konkrete Hilfen an.

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Die einen so, die anderen so. Mobbing ist allseits ein feines Thema, schon aufgrund der Beweiskraft usw. Da es aber lange her ist, mag es heute auch sein, dass man sich mehr dahinter hängt, ja. Wobei ich das bei meinen sehr nah miterlebten Beispielen sehr bezweifeln mag. Aber vielleicht war das auch wiederum ein ganz besonderes Süppchengrüppchen in der großen Suppengruppe, man weiß es eben nicht. Es sind halt meine Erfahrungen, die ich mit diesem Thema Gewerkschaft und allem was dahinter hängt sehr ausführlich machen konnte, und bis auf einige wenige wirklich einsatzfreudige und vor allem auch menschliche Menschen... nunja. Aber ich möchte auch nicht alles über einen Kamm scheren. Das mit der Macht schrieb ich oben schon. Und das hat sicher jeder schon einmal von fern oder auch von ein bisschen näher selbst erleben dürfen, auf die eine oder die andere Art. (btw. war ich sowohl auch in der Gewerkschaft wie auch im Betriebsrat tätig, wobei ich das meistens verdränge, aus gutem Grund)

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@Kid37
(Deren Mitglieder müssen IMHO auch nicht in der Gewerkschaft sein.)

Ich hab' mich mittlerweile bei der Gattin des Betroffenen (ich nenn' den jetzt der Einfachheit halber mal Anton und seine Frau nenn' ich mal Pünktchen) erkundigt, denn Pünktchen hat bis vor zwei Jahren selber in dem Saftladen der großen Firma gearbeitet. Und in dieser großen Firma ist es so, daß man sich nur in den Betriebsrat wählen lassen kann, wenn man in der Gewerkschaft ist.

Dafür weiß ich mittlerweile eine Geschichte von (ich nenn' ihn mal) Ricky. Der ist auch in der Gewerkschaft und seit anderthalb Jahren "Vertrauensmann". Der fungiert als Megaphon für den Betriebsrat in seiner Abteilung. Was ich spannend finde: Zum Betriebsrat kann man nicht einfach "so gehen", sondern es ist vorgesehen, daß man erstmal zum Vertrauensmann geht.
Damit der arme, überlastete Betriebsrat nicht vor lauter Arbeit zusammenbricht.
Ricky sagt, nie mehr lässt er sich aufstellen, er ist gottfroh, wenn die zwei Jahre 'rum sind.
Es ist nämlich, sagt Ricky, "alles Lug und Trug", mit der ScheissGewerkschaft.
Das geht schon damit los, daß Du "als Normaler" nie in den Betriebsrat kommst, weil das seit Jahrzehnten eine eingeschworene Clique ist, die sich maßgeblich aus drei Familien (ja, es gibt in dieser Firma ganze Arbeitnehmerdynastien...), ich nenn' sie mal der Ähnlichkeit halber die Palermos, die Catanias und die Messinas, rekrutiert. Ab und zu heiratet die Tochter von einem Catania vielleicht auch auch einen anderen, der sitzt dann auch im Betriebsrat, ist auf dem Papier vielleicht ein Taormina faktisch aber ein Catania.
Ricky muß als Vertrauensmann regelmäßig zu diesen Mafia-Meetings Betriebsratssitzungen. Dort wird hauptsächlich privates aus der Palermo-Messina-Catania-Welt beredet, und in der Zwischenzeit schauen die Vertrauensleute Löcher in die Luft. Die Vertrauensleute wurde hingegen sogar angehalten, den Betriebsräten Leute, die sich beschweren, vom Hals zu halten, und nochmal "zu versuchen, der Beschwerde entgegenzuwirken"...
Außerdem verstehen sich einige Catanias, Messinas und Palermos so gut mit den Chefs, daß sie regelmäßig mit denen in Urlaub fahren.
Jetzt ist mir auch klar, wie es ständig zu diesen arbeitnehmerfreundlichen Entscheidungen kommt... Ich nehme an, der Chef bezahlt den Urlaub.
Nun sagen Sie, Herr Kid,Wenn dort also Pfeifen sitzen, sollte sich die Belegschaft Gedanken über ihr Wahlverhalten machen.
Genau das haben vor ein paar Jahren einige getan, sie gingen sogar darüber hinaus und beschwerten sich bei der Landesstelle der Gewerkschaft (oder wie das heißt, Sie verstehen aber was ich meine...).
Komisch, bei den allerersten Entlassungen waren alle die "Unruhestifter" in einem Schwung dabei.

Das überlegt sich heute jeder Arbeiter ganz genau, denn die meisten, die ich kenne, zahlen noch ihr Häuschen ab und haben darüber hinaus zwei Kinder zwischen 0 und 18.
Und je besser einer ausgebildet ist, umso mehr hält er die Klappe - weil einer, der hochspezialisiert ist in Deutschland wahrscheinlich gar nirgends anders Arbeit bekommt. Vor allem die über 45jährigen haben keine Lust, ihren Job zu riskieren und bis 67 im Ausland arbeiten zu müssen, während die Gattin (die hier einen Job hat) und die Kinder natürlich vor Ort bleiben.

Es ist eben viel leichter am Schreibtisch "Revolucion!" zu skandieren, als sich im Betrieb mit dem Abteilungschef anzulegen, wo man weiß, daß die Abteilungen ständig verkleinert werden.
In der nächsten Runde bist Du nämlich 'raus, zack an eine andere Abteilung weitergereicht, und wer paarmal weitergereicht wurde, den will zum Schluss gar keine Abteilung mehr, der wird zuerst gekündigt.
Mittlerweile geht das perfide Spielchen auch so: Der Abteilungsleiter such "Freiwillige", die von sich aus in andere Abteilungen gehen, ansonsten wird einer bestimmt. Da hat sich schon manch einer gemeldet, der überhaupt nicht weg wollte - vor lauter Angst, daß er irgendwann an einen Abteilungsleiter, den er gar nicht leiden kann oder an eine Abteilung, die regelmäßig Nachtdienst von 22 bis 7 Uhr schiebt, "verteilt" wird.

Nur soviel zum Thema Wenn es einem stinkt, müßte man schon selbst aktiv werden und den Laden von innen her reformieren und mitgestalten.
...ich höre mich selbst, vor 15 Jahren.


@Lunally
Sie sagen es.
Fast alles.
Außer, daß es noch eine besonders gelungene Kombi gibt: Wenn nämlich die Mitglieder des Betriebsrats die größten Mobber sind - das hatte ich mal, sehr spaßig, das alles...
Und die von Ihnen erwähnten Suppengrüppchen gibt es m.E. in jeder Lackiererei ab drei Mann aufwärts...

Bezeichnend finde ich auch das von Ihnen geschilderte interne Gerangel - wie in jedem Kindergarten überall, wo ein Fünkchen "Macht" oder "Wichtigkeit" oder "Befugnis" mit im Spiel ist, sieht die Gruppe schnell den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr. Da wird 45 Minuten über die Tagesordnung gestritten, und das, obwohl man nur 60 Minuten hat.

Und auch da stimme ich Ihnen zu: Die meisten dieser "Würdenträger" haben einen derartigen Hau, daß man sie zielsicher aus einer Gruppe ausdeuten kann (wahrscheinlich will sich deshalb kein normaler Mensch da engagieren, zumindest nicht langfristig...)

*hust*

@The Great Gate
Das stimmt so nicht ganz, wenn mit "früher" nicht die Vorkriegszeit gemeint ist

Ich meinte sogar die Zeit vor dem Krieg, der vor dem Krieg stattfand.
Vielleicht hätte ich statt "früher" besser "ursprünglich" schreiben sollen.

Ein Warnstreik ist ein Warnstreik.Der kann gar nicht anders organisiert werden...

Ja, sehen Sie, genau DAS meine ich. Es ist alles organisiert, bis ins kleinste Detail. Wo ist denn da die Warnung? Der Betrieb lacht sich doch scheckig über das ganze Alte Eisen auf'm Hof, mit den Mülltüten um, und den Trillerpfeifen in der Schnüss.
Und der Oberboss guckt aus'm Fenster und spricht: "Bis in zwei Jahren hab' ich die alle weg!"
Und sollte ein echter Engpass entstehen, lässt er für die Spätschicht aus der Nachbarstadt ein paar "Zeitarbeiter" kommen. Deshalb muss das so zeitig organisiert werden, weil der Arbeitgeber sonst nicht dazukommt im Personalbüro bescheid zu sagen, daß wir für die Zeit des Streiks mal wieder 25 Leiharbeiter für je drei Tage brauchen.

Diese Warnstreiks gibt's doch nur, damit die Kumpel nicht scharenweise aus den Gewerkschaften austreten, das haben die Gewerkschaftsbonzen längst mit den Managern abgesprochen.
Denn eine dreiviertel Stunde - da merkt der Betrieb doch gar nicht - zumal es am Ende des Tages "nachgearbeitet" wird.
Also wozu das ganze?
Damit Leute wie Pünktchen, Anton und Ricky nicht auf die Idee kommen zu sagen: "Gewerkschaft? Von denen hör' ich einmal im Jahr, wenn sie meinen Beitrag kassieren wollen. Das brauch' ich nicht."

Also erweckt man einen Anschein.
Sie kennen das: Wenn der Chef kommt, fängt der fadeste Kellner plötzlich an hektisch Sektgläser zu polieren und simuliert Betriebsamkeit... so à la "der kann was, da geht was"...
Damit die Palermos, Messinas und Catanias weiterhin schön mit den Chefs in (bezahlten?) Urlaub fahren können.

Ich frag' mich langsam echt, wer das braucht...

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Tja, wie weit einer gehen will, muss natürlich jeder selbst entscheiden. Aber ein "gegen die da (oben) kann man nichts machen" ist doch nicht akzeptabel - mit der Begründung müßte man ja vor allem den Arsch einkneifen. Vielleicht ist das aber das Problem, das anders als "früher früher" die Gewerkschaften nicht mehr Arbeiter, sondern Kleinbürger vertritt, die was zu verlieren haben ("Häuschen", Auto etc.). Das Proletariat der Jahrhundertwende konnte ja nur gewinnen.

Möglicherweise ist diese gewisse Saturiertheit der Klebstoff, der alles so unbeweglich macht. Verfilzung ist aber nun nicht ein Problem von Gewerkschaften allein. Sie entsteht überall, wo Menschen über längere Zeit Strukturen bilden. Das kann man auch in der Bloggerszene beboachten. Was lernt man draus? Blindes Vertrauen und mangelnde Kritikfähigkeit sind gefährlich. Mangelnde Willensbildung - oder Unwillen zur Meinungsbildung aber auch.

Natürlich, das ist hoffentlich klar, sind das nur Beobachtungen aus der Ferne. Wir Gartenzwergarbeiter sind vielleicht auch ein wenig privilegiert - und treten Geschäftsleitung und Betriebsrat gleichermaßen in den Hintern, ohne wirklich Sanktionen befürchten zu müssen (die nicht so oder so kämen).

Konkret möchte ich zu Ihrem Beispiel noch anmerken, daß es auch keine Wahlpflicht für den BR gibt. Wenn dort nur Pfeifen zur Wahl stehen, geht man nicht hin oder macht - besser noch - seine Stimme ungültig. Ein BR ohne Rückhalt im Betrieb hat nämlich ein echtes Problem.

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Aber ein "gegen die da (oben) kann man nichts machen" ist doch nicht akzeptabel - mit der Begründung müßte man ja vor allem den Arsch einkneifen.

Nein, das ist es nicht, da gehe ich völlig mit Ihnen kondom.
Das schrieb ich ja jüngst selbst bezüglich der Äußerungen meines Eisdealers.

Geschockt bin ich nach wie vor immer etwas über die Haltung der von Ihnen als Kleinbürger bezeichneten (ich sag' mal ganz vorsichtig:) Bevölkerungsgruppe (da ich gar nicht weiß, ob man von denen noch als "Schicht" sprechen kann.)
Einen gewissen Leidensdruck bemerke ich nämlich, gleichzeitig paart sich dieser aber mit einem Bewusstsein der mangelnden Fähigkeit, die eigenen Belange artikulieren zu können.
Oft resümiert daraus eine Animosität gegen all jene, die sich besser artikulieren können (oder zumindest überzeugend vorgeben, dies zu können). Dann findet man noch häufig dieses "man kann halt nichts machen" vor, das m.E. nach aber oft "anerzogen" ist, und daraufhin lässt ein Großteil, auch das gebe ich zu, die Hände schlichtweg in den Schoß sinken, und broddelt eben vor sich hin.

Kritikfähigkeit will wohl auch gelernt sein. Viele dieser "Kleinbürger" sind, ich will jetzt nicht sagen "zum Duckmäusertum", aber zumindest zum Nichtauffallen und Nichtanecken erzogen.

Mich frustriert, daß diejenigen, die es dennoch wagen und dabei ein großes Stück über ihren Schatten springen, die ersten Opfer sind.
So wird das "Genickeinziehen" immer hübsch weiter tradiert.
Käme ich Pünktchen, Anton und Ricky jetzt mit einer derart "verwegenen" Idee, wie einen Wahlzettel ungültig machen, würden die mich wahrscheinlich erstmal fragen, ob das a.) nicht verboten ist und b.) mir freundlich mitteilen, daß sie Angst haben, daß das "herauskommt"...
Ich würde das eher so sehen, als einen "Unwillen zur Meinungsbildung" zu unterstellen -was es ja im Resultat vielleicht sogar ist, aber es klingt mir zu "bös'".

Sie haben auch Recht, wenn Sie anmerken, daß Verfilzung kein reines Gewerkschaftsproblem ist - es ärgert mich aber, daß genau die einen "Kleinbürger" sind, die ausgerechnet die anderen "Kleinbürger" über's Ohr hauen. (Da sind wir wieder ganz schnell beim mangelnden Klassenbewusstsein, oder...?)

Und wo wir gerade bei Kleinbürgern sind: Sind es nicht die Kleinbürger, die in allererster Linie Gartenzwerge kaufen? Das ist doch Ihre werte Kundschaft, Herr Kid, also bitte etwas mehr Schleimerei Respekt vor diesen Leuten, der Kunde ist schließlich König ;-)

btw: Welche Gewerkschaft ist eigentlich für das Gartenzwergkunsthandwerk zuständig? Ich nehme an, die "IG Ton, Steine & Scherben"?!

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Frau Petersilie, ich hab langsam das Gefühl wir reden über die gleiche Firma. Hust.

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Kann sein, kann aber auch nicht sein - wer weiß...?!

Ich habe mich mal über ein Forum ausgelassen, das erkannte plötzlich auch jeder, und ich erhielt lauter Anfragen, ob es sich bei dem Forum um ein orangenes, eines für selbständige Zicken, eins für Männer mit gestörter Beziehung zu ihrer Kettensäge, einsame Traktorfahrer oder sonstwas handele.

Was ich sagen will: Wahrscheinlich sind die Unterschiede gar nicht so groß...

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