Freitag, 1. Dezember 2006
Sehr ordentlich
Ich habe einen sehr ordentlichen Nachbarn.
Der hat eine Mauer auf unserer Grundstücksgrenze.
Über dieser Mauer wächst eine Pflanze.
So 'rübergezogen, an Drähten - also eine Schlingpflanze.
Mit handtellergroßen Blättern.

Mein Nachbar ist ein sehr ordentlicher Gärtner.
Mehrmals am Tag kehrt er derzeit das Laub auf dem Rasen zusammen.
Außerdem hat in seinem Garten kein Halm Unkraut eine Überlebenschance von mehr als 72 Stunden.

Im Moment macht er seinen Garten "winterfest".
Dazu gehört auch, daß er die Schlingpflanze schüttelt, damit die welken Blätter herabfallen. Die dann eingesammelt werden.

Gestern fand so eine Schüttelung statt.
Durch das Küchenfenster wurde der Ungatte der zappelnden Pflanze gewahr. Über eine Stunde.

Dann hörte der Ungatte einen Radau am Gartentor (das ist so ein Gartentor mit Gitterstäben, da kann man von der Straße aus durchgucken).
Steht da der Nachbar:
Rechen, Besen, Schere, Eimer, noch'n Rechen, Handschuhe, Pudelmütze, ein Leiterchen - die komplette Ausrüstung für den Großeinsatz.
Der Nachbar ruft, der Ungatte möge mal das Gartentor öffnen. Er habe da die Pflanze geschüttelt und im Zuge dieser Schüttelung seien Blätter über die Mauer auf unser Grundstück herabgefallen und nun wolle er die Sauerei, die er angerichtet habe, beseitigen.
Der Ungatte, gerade in Eile, sagte zum Nachbarn, das sei ihm jetzt ein zu großer act der Schlüssel für das Gartentor zu suchen, er müsse gleich weg, er soll die Blätter gerade liegenlassen - wir machen das dann selbst weg.

Unverrichteter Dinge und kopfschüttelnd zog der Nachbar wieder ab.
In voller Montur.
Das erzählte mir also der Ungatte.
Und dann warf ich mal einen Blick aus dem Fenster auf besagte Sauerei.
Zwei Blätter.
Eins liegt da schon seit vier Tagen, das ist wohl von selbst...

Das macht meinen Nachbarn jetzt ganz nervös, denn jedesmal wenn er auf der Straße an unserem Gartentor vorbeiläuft, sieht er ja jetzt diese zwei Blätter.
Und wenn das noch einer sieht?
Dann kommt er vielleicht ins Gemeindeblatt?

Auf der anderen Seite war das wahrscheinlich eine lebenserhaltende Maßnahme.
Denn der Nachbar ist schon älter. Und sein Herz...
Wäre der jetzt auf das Grundstück gekommen, hätte er vielleicht gesehen, daß in meinem Beet (das weder von der Straße noch von seinem Garten aus einsehbar ist) eine einmeter hohe Distel steht - also Unkraut.
Und daß meine Rosen nicht zurückgeschnitten sind - das mach' ich nämlich erst im Frühjahr, sonst treiben die mir bei der Wärme wieder aus und außerdem müßte ich dann auf das herrlich morbide Panorama dahingewelkter Rosen aus dem Küchenfenster verzichten.
Ich glaube, den Anblick hätte er gar nicht verkraftet.

Vertrocknetes, abgeknicktes Laub, ausgedörrte Knospen, verschrumpelte Blütenblätter...ich mag das, wenn die Natur im Herbst noch mal ihr letztes gibt - völlig vergeblich, um dann doch unvermeidlich zu vergehen und als "stehende Leiche" den Winter über "E-N-D-E"-formulierend an den verflossenen Sommer zu erinnern... (genug der Ergüsse, ich kann's g'rad nicht sachlicher ausdrücken)

Ob ich die zwei Blätter dann doch mal...?

Haus und Hof
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